Freitag, 21 Februar, 2025

Vitamin-Infusionen: Medizinischer Nutzen oder fragwürdiger Trend?

Vitamin-Infusionen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, insbesondere bei gesundheitsbewussten Menschen, die nach neuen Wegen suchen, ihr Wohlbefinden zu steigern. Während einige auf die schnelle Wirkung und hohe Bioverfügbarkeit schwören, warnen andere vor potenziellen Risiken und unnötigen Eingriffen. Doch wie sinnvoll sind Vitamin-Infusionen wirklich? Und in welchen Fällen sind sie medizinisch gerechtfertigt? Der folgende Artikel beleuchtet den aktuellen Stand der Wissenschaft und die spezifischen Anwendungsgebiete dieser Therapieform.

In einem Interview mit der Ärztin Dr. Necla Suhren, Fachärztin für Chirurgie, beleuchten wir die Hintergründe, potenziellen Vorteile und Risiken von Vitamin-Infusionen. Sie erläutert, für wen diese Therapie tatsächlich sinnvoll sein kann und wann Vorsicht geboten ist.

Laut Dr. Suhren sind Vitamin-Infusionen insbesondere für Patienten mit nachgewiesenem Nährstoffmangel oder bestimmten Erkrankungen eine sinnvolle Option. “Bei Menschen mit Aufnahmestörungen im Magen-Darm-Trakt oder schweren Mangelerscheinungen können Infusionen eine gezielte und effektive Unterstützung bieten”, erklärt sie. Allerdings warnt sie davor, dass gesunde Menschen ohne medizinische Indikation möglicherweise keinen zusätzlichen Nutzen aus diesen Infusionen ziehen. “Der Körper scheidet überschüssige wasserlösliche Vitamine wie Vitamin C einfach wieder aus, sodass die Wirkung oft überschätzt wird.”

Interview:

Wie beurteilen Sie den aktuellen Trend zu Vitamin-Infusionen bei gesunden Menschen – sehen Sie hier einen echten medizinischen Nutzen oder überwiegen die Risiken einer invasiven Behandlung?

Der Trend zu Vitamin-Infusionen bei gesunden Menschen spiegelt das zunehmende Bewusstsein für Prävention und ganzheitliches Wohlbefinden wider. Vitamin-Infusionen können eine effektive Möglichkeit sein, kurzfristig Energie, Konzentration und Vitalität zu steigern, insbesondere bei Menschen mit stressreichen Lebensstilen oder erhöhtem Bedarf, beispielsweise durch intensiven Sport oder hohe berufliche Belastung.

Im Gegensatz zu oralen Präparaten bieten Infusionen den Vorteil, dass die Nährstoffe direkt in den Blutkreislauf gelangen und sofort verfügbar sind, ohne den Verdauungstrakt zu belasten. Auch für gesunde Menschen können sie in Phasen hoher Belastung eine wertvolle Ergänzung sein, um einem möglichen Nährstoffdefizit vorzubeugen.

Die Risiken der intravenösen Behandlung sind bei fachgerechter Durchführung minimal. Bei professioneller Beratung und individuell angepassten Infusionslösungen überwiegen die potenziellen Vorteile, wenn der Fokus auf einem verantwortungsvollen und gezielten Einsatz liegt.

2. Bei welchen spezifischen Mangelzuständen oder Krankheitsbildern würden Sie eine Vitamin-Infusionstherapie gegenüber einer oralen Supplementierung bevorzugen und warum?

Vitamin-Infusionen sind sinnvoll bei spezifischen Zuständen, in denen die Aufnahme oder Verwertung von Nährstoffen über den Magen-Darm-Trakt beeinträchtigt ist. Beispiele sind: • Schwere Mangelzustände, wie bei Vitamin-B12-Mangel infolge von perniziöser Anämie oder gastrointestinalen Resorptionsstörungen.

• Erkrankungen mit Malabsorption, wie Morbus Crohn, Zöliakie oder nach bariatrischen Eingriffen.
• Akute Zustände, wie Vitamin-C-Infusionen bei schwerem Skorbut oder als Zusatz bei bestimmten Infektionen.

• Kritische Zustände, etwa bei alkoholbedingten Mangelzuständen z. B. Wernicke- Enzephalopathie, bei der Thiamin (Vitamin B1) intravenös gegeben wird.

Die Infusion bietet in diesen Fällen eine schnelle und direkte Verfügbarkeit, ohne den Umweg über einen möglicherweise gestörten Verdauungstrakt.

3. Inwiefern unterscheidet sich die Bioverfügbarkeit von intravenös verabreichten Vitaminen im Vergleich zur oralen Einnahme, und welche Rolle spielt dies für die langfristige Versorgung des Körpers?

Die Bioverfügbarkeit von intravenös verabreichten Vitaminen unterscheidet sich grundlegend von der oralen Einnahme, da die Vitamine bei der Infusion direkt in den Blutkreislauf gelangen und somit den Magen-Darm-Trakt und die Leberpassage (First-Pass-Effekt) umgehen. Dies führt dazu, dass die gesamte verabreichte Menge sofort und vollständig vom Körper genutzt werden kann. Im Gegensatz dazu ist die Bioverfügbarkeit bei oraler Einnahme häufig begrenzt, da die Vitamine erst über den Verdauungstrakt aufgenommen werden müssen, wobei individuelle Faktoren wie eine gestörte Darmfunktion oder Wechselwirkungen

mit Nahrungsmitteln die Aufnahme erheblich reduzieren können.

Dieser Unterschied ist vor allem in Situationen entscheidend, in denen ein akuter Mangel oder ein hoher Bedarf besteht, etwa bei chronischen Erkrankungen, starker körperlicher oder psychischer Belastung oder nach Infekten. Eine Infusion ermöglicht es, den Körper rasch und effektiv mit den benötigten Nährstoffen zu versorgen, da sie die Vitaminspiegel im Blut schnell anheben kann.

Für die langfristige Versorgung des Körpers spielt die intravenöse Gabe eine unterstützende Rolle. Sie kann gezielt eingesetzt werden, um Defizite auszugleichen oder eine Basis für nachhaltige Stabilität zu schaffen. Nach einer akuten Infusion kann die Versorgung in der Regel durch eine ausgewogene Ernährung oder gezielte Nahrungsergänzung aufrechterhalten werden. Dennoch bleibt die Infusion eine wertvolle Option, insbesondere für Menschen, deren Körper Vitamine aus verschiedenen Gründen nicht optimal aufnehmen kann. Die Kombination aus hoher Bioverfügbarkeit und schneller Wirkung macht die intravenöse Verabreichung zu einer effektiven Methode, die sich ideal in ein ganzheitliches Gesundheitskonzept integrieren lässt.

4. Welche unerwarteten Wechselwirkungen können zwischen verschiedenen Vitaminen in Infusionslösungen auftreten, und wie beeinflussen diese die therapeutische Wirksamkeit?

Wechselwirkungen zwischen Vitaminen in Infusionslösungen sind ein unterschätztes Thema. Einige Beispiele:
• Vitamin C und Vitamin B12: Hohe Dosen von Vitamin C können Vitamin B12 chemisch zerstören und dessen Wirksamkeit verringern.

• Vitamin B6 und Magnesium: In hohen Konzentrationen können diese Substanzen zu einer gegenseitigen Verstärkung von Nebenwirkungen führen, z. B. neurologischen Symptomen. • Oxidationsempfindliche Vitamine: Vitamin C oder andere Antioxidantien können durch Kontakt mit Sauerstoff in der Lösung oxidiert werden, wodurch ihre Wirksamkeit sinkt.

Diese Wechselwirkungen erfordern sorgfältige Formulierungen und individuelle Anpassungen, um die gewünschte Wirkung sicherzustellen.

Medizinischer Nutzen und potenzielle Risiken

Vitamin-Infusionen werden häufig als Möglichkeit beworben, Energie und Vitalität zu steigern. Tatsächlich können sie unter bestimmten Umständen eine sinnvolle Ergänzung sein, etwa bei Menschen mit erhöhtem Nährstoffbedarf durch Stress, Sport oder berufliche Belastung. Im Gegensatz zu oralen Präparaten umgehen Infusionen den Verdauungstrakt und gelangen direkt in den Blutkreislauf, was eine schnelle Wirkung ermöglicht.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Die intravenöse Verabreichung von Nährstoffen ist ein invasiver Eingriff, der unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden muss. Bei unsachgemäßer Anwendung können Nebenwirkungen wie Infektionen oder unerwünschte Wechselwirkungen zwischen den Vitaminen auftreten. Fachgerechte Beratung und individuelle Anpassung der Infusionslösungen sind daher essenziell.

Wann sind Vitamin-Infusionen medizinisch sinnvoll?

Während gesunde Menschen nur bedingt von Infusionen profitieren, gibt es medizinische Indikationen, bei denen eine solche Behandlung gegenüber der oralen Einnahme überlegen ist. Dazu zählen:

  • Schwere Mangelzustände, etwa Vitamin-B12-Mangel infolge von perniziöser Anämie oder Resorptionsstörungen.
  • Erkrankungen mit Malabsorption, wie Morbus Crohn oder Zöliakie.
  • Akute Erkrankungen, etwa Vitamin-C-Infusionen bei schwerem Skorbut oder als unterstützende Maßnahme bei bestimmten Infektionen.
  • Neurologische Erkrankungen, beispielsweise Wernicke-Enzephalopathie, die eine hochdosierte Thiamin-Gabe erfordert.

In diesen Fällen ermöglicht die Infusion eine sofortige Verfügbarkeit der Vitamine, ohne dass eine beeinträchtigte Darmfunktion die Aufnahme behindert.

Bioverfügbarkeit: Infusion vs. orale Einnahme

Die Bioverfügbarkeit intravenös verabreichter Vitamine ist deutlich höher als bei oraler Einnahme, da sie den First-Pass-Effekt in der Leber umgehen. Dies ist insbesondere bei akuten Mängeln oder hohem Bedarf vorteilhaft. Dennoch ist eine langfristige Versorgung über eine ausgewogene Ernährung oder gezielte Supplementierung oft ausreichend. Infusionen sollten daher eher als kurzfristige Unterstützung und nicht als dauerhafte Lösung betrachtet werden.

Wechselwirkungen und individuelle Anpassung

Ein oft unterschätzter Aspekt ist die mögliche Interaktion zwischen verschiedenen Vitaminen in Infusionslösungen. Beispielsweise kann Vitamin C die Wirksamkeit von Vitamin B12 reduzieren, während hohe Dosen von Vitamin B6 und Magnesium unerwünschte Nebenwirkungen verstärken können. Eine präzise Formulierung und ärztliche Begleitung sind daher unerlässlich.

Zukunftsperspektiven: Personalisierte Infusionsprotokolle

Ein neuer Trend sind personalisierte Infusionsprotokolle, die auf genetischen Markern oder metabolischen Profilen basieren. Während solche Ansätze vielversprechend erscheinen, fehlt es derzeit an wissenschaftlicher Evidenz. Es bleibt abzuwarten, ob diese Methoden in Zukunft eine größere Rolle spielen oder ob sie lediglich als Marketingstrategie dienen.

Wichtige Vitamine und ihre Funktionen

Zu den am häufigsten per Infusion verabreichten Vitaminen gehören:

  • Vitamin C: Stärkt das Immunsystem, fördert die Wundheilung und schützt die Zellen.
  • Vitamin D: Zentral für den Knochenstoffwechsel, das Immunsystem und die Muskelfunktion.
  • Vitamin B12: Essenziell für die Blutbildung und das Nervensystem, insbesondere bei veganer Ernährung oder Resorptionsstörungen.
  • Vitamin B6 und B1: Unterstützen den Energiestoffwechsel und die Nervenfunktion.
  • Vitamin E: Antioxidans, das Zellmembranen schützt und die Hautgesundheit fördert.
  • Vitamin K: Wichtig für die Blutgerinnung und Knochengesundheit.

Die Ärztin Dr. Necla Suhren absolvierte ihr Medizinstudium am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und spezialisierte sich später auf Viszeralchirurgie. Parallel dazu vertiefte sie ihre Kenntnisse in der ästhetischen Medizin, bevor sie 2023 die Kallistik Aesthetik gründete. Ihr Fokus liegt darauf, individuelle Schönheit zu betonen, ohne ein unnatürliches Erscheinungsbild zu erzeugen.

Instagram: @kallistik.aesthetik