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Nur einen Katzensprung von Hamburg entfernt wirkt Lübeck geradezu niedlich und ist besonders im Sommer voll von Touristen. Aber ob Kurzurlaub oder Tagesausflug, es lohnt sich auf jeden Fall. Schon, als wir unser Auto parkten, waren da Leute aus Berlin, Heidelberg, München. Extra in aller frühe angereist, nur, um mal Lübeck live und in Farbe zu sehen. Aber was macht die Faszination der Hansestadt mit ihrem weltberühmten Marzipan aus? Das Tor zur Ostsee wirkt leider zu oft sehr eingestaubt und wie ein Reiseziel für Rentnerbusse – völlig zu Unrecht!
Ich verrate euch, welche Orte ihr unbedingt sehen müsst und was ihr euch sparen könnt!
Das Holstentor
Es tönte die Titelmelodie von Pokemon, als wir am Samstagmittag am Holstentor entlangschritten. Ich habe 11 Jahre Trompete in meiner Kindheit und Jugend gespielt, bis ich fertig mit dem Abi war und die schiefen Töne haben mir ein bisschen in der Seele wehgetan. Aber was will man machen? eigentlich immer in der Touristensaison findet man irgendwelche Jugendorchester oder Bands, die hier spielen. Auch Fotos von einer Braut werden gemacht, nur eben, dass das Mädchen im Brautkleid nicht älter als 2 Jahre ist und ihr Bräutigam wohl ihr großer Bruder. Manche Touristen kommen hier in Lübeck auf schräge Fotoshootingideen, aber so ist es eben. Je näher man dem Holstentor kommt, umso mehr englische Touristenführungen liegen in der Luft. Wer hier schöne Fotos machen möchte, sollte auf jeden Fall früh aufstehen.
Historisch gesehen ist es wohl das bekannteste erhaltene Stadttor des Spätmittelalters in Deutschland und ziert sogar eine Prägung der 2 Euro Münze, symbolisch als Wahrzeichen für Schleswig-Holstein. Das spätgotische Gebäude aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Teil der damaligen Lübecker Stadtbefestigung.
Marienkirche
Kommt man Lübecks Stadtkern näher, fühlt man sich ein bisschen wie in Hamburg oder auch in Breslau. Gefällt stehen da erstmal viele, viele Kirchen. Die Marienkirche in Lübeck ist ein Wahrzeichen aus dem 13. Jahrhundert und heute eine restaurierte gotische Kirche, die bei Luftangriffen der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde und nun in neuen Glanz erstrahlt.
Buddenbrookhaus
Wer kennt nicht “Die Buddenbrooks”? Ganz ehrlich, unter uns: Habt ihr es gelesen oder euch letztendlich dann doch nur einen Film dazu oder eine Zusammenfassung reingezogen. Damals, als ich in Göttingen studiert habe und im dritten Semester nach den zwei Semestern Klausurenwahnsinn erstmals schöne Themen wählen durfte, habe ich es leider nicht in das Buddenbrooksseminar geschafft. Zum Glück, sage ich nun im Nachhinein, denn die arme Dozentin durfte etwa 20 von 30 Hausarbeiten zu dem Motiv des faulenden Zahns lesen. Da habe ich doch lieber etwas zu Goethe gemacht.
Aber dennoch kann ich euch die Bücher von Thomas Mann und Heinrich Mann sehr ans Herz legen – besonders “Die kleine Stadt” ist ziemlich cool, wenn man sich bis zur schier ewig langen Opernpremiere durchgekämpft hat. Seit 1993 ist im Buddenbrookshaus mit seiner Barockfassade direkt an der Einkaufsstraße und neben einem skandinavischen Warenhaus das Thomas-Mann-Museum im ehemaligen Haus der Familie Thomas Manns. Heute ist das Museum ihm und seinem Bruder gewidmet und eine gute Möglichkeit, noch ein bisschen etwas zu lernen, wenn mal wieder in Lübeck ein verregneter Tag ist.
Für Naschkatzen
Natürlich, man verbindet diese Stadt auch mit einem gewissen Marzipanhersteller, der sehr gerne bei uns unterm Weihnachtsbaum als Marzipanbrot landet. Aber bei Niedererer in der Lübecker Einkaufsstraße kann man nicht nur Marzipan kaufen, es ist auch ein schönes und empfehlenswertes Café. Fast fühlt man sich bei der geschmackvollen Einrichtung wie in einem Wiener Kaffeehaus, während man seinen American umrührt und kann dort frühstücken oder ein Stück Kuchen genießen. Wer dann noch Interesse an der Geschichte des Marzipans hat, findet dazu etwas im 2. Obergeschoss.
Heiligen-Geist-Hospital
Eines der wohl am meisten fotografierten Motive in Lübeck ist mit Sicherheit das Heiligen-Geist-Hospital – jeder, der durch Lübeck flaniert als Tourist oder Tagesbesucher, wird das markante äußere dieses Gebäudes aus dem Jahre 1286 auffallen. Neben seinem fotogenen Äußeren ist interessant zu wissen, dass es eines der weltältesten bestehenden Sozialeinrichtungen ist. Am Platz direkt bei diesem Hospital ist der schönste Teil des Weihnachtsmarktes, denn ja, auch im Dezember ist Lübeck immer eine Reise wert.
Altstadt
Statt von einer Kirche oder einem Museum zum nächsten zu jagen sollte man in Lübeck lieber den Moment genießen. Den ja, die Altstadt ist ein Hochgenuss für die Augen und einfach so durch die Straßen zu ziehen ist Pflichtprogramm für jeden Touristen. Da die Altstadt auf einer Art Insel liegt, kann man sich nur schwer verlaufen und gut an Kirchtürmen orientieren. Irgendwie findet man schon immer zurück.
Mein Tipp ist also, dass ihr die kleinen Gassen und Straßen einfach auf euch wirken lässt und auch in die Straßen geht, die nicht ganz so touristisch geprägt sind. Statt nur das Holstentor findet man auch Salzspeicher, wandelt um die fünf Kirchen und findet die schönsten ruhigen Wege am Wasser. Man fühlt sich fast wie in Amsterdam, da man überall das Wasser findet. Bereits seit 1987 gehört diese Altstadtinsel zum Weltkulturerbe, die einzeln und gemeinsam als Kollektiv von über 1000 Gebäuden als Denkmal gelten.
Ab an den Strand
Natürlich, Hamburgs Elbstrand hat auch einen besonderen Flair, aber in Travemünde und am wirklich berühmten Timmendorf Strand kann man einfach unglaublich gut frische Ostseeluft schnappen. Ist das Wetter gut, ist es fast zu schade, den Tag in der Stadt zu verbringen. Also ab an den Strand! Travemünde gehört auch offiziell zu Lübeck und ist nur ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Wer Beach Bars, Sand unter den Füßen und Wellness liebt, wird hier auf seine Kosten kommen.
Beach Bars und Badengehen, das war nicht immer so in Travemünde. Einst notierte Kafka während einer Reise: “Durch die nackten Füße als unanständig aufgefallen”. Im Jahre 1914 war er eben ein Freigeist für seine Zeit. Anders als der freigeistige Schreiberling saßen die Sommerfrischler in voller Montur im Strandkorb. Damals flanierte man noch mit Sonnenschirmen und vollständig bekleidet an der Strandpromenade entlang.
Der Marktplatz
Leider hatten wir bei unserem Ausflug das Pech, dass irgendein Weinfest den Blick auf den Marktplatz vollkommen versperrte. Aber dennoch kann man auch bei einem zugestellten Marktplatz das Rathaus mit einer atemberaubenden Architektur bewundern. Abgerundet wird das Stadtbild durch die nördlich gelegene und bereits erwähnte Hochgotische Marienkirche. Zu dieser wäre auch noch zu sagen, dass der Backsteinbau mit 120 m hohen Türmen ein Vorbild für alle Kirchenbauten im Ostseeraum – und wer ein bisschen dort herumgekommen ist, wird wissen, was ich damit meine. Ein Exfreund von mir, der aus dem Erzgebirge kam, hatte als liebstes Reisestreitthema, dass er Backsteinoptik nicht mochte. Er sagte immer: “Die Norddeutschen sind wohl zu faul, ihre Häuser zu verputzen.” Ich widerspreche ihm da, denn ich kann mich an den schönen Gebäuden nicht satt sehen.
Zurück zur Natur
Glücklicherweise gibt es einige Freunde aus der Schulzeit und auch Verwandte, die mal in Lübeck gelebt haben. Und daher kenne ich nicht nur die Stadt, sondern auch Stadtteile in der Umgebung wie Buntekuh oder Kücknitz. Wer noch nie ein etwa 4000 Jahre altes Fünengrab gesehen hat, kann das in Kücknitz mitten im Grünen nachholen. Schon Heinrich Mann hat es in seinem “Professor Unrat” erwähnt. Noch schöner ist aber für mich das Naturschutzgebiet “Dummersdorfer Ufer” direkt an der Trave. Für ein Meer aus Grün muss man nicht gleich in den Spreewald fahren, auch hier kann man wunderbar wandern gehen und hat von einigen Hügeln aus einen Blick bis nach Mecklenburg-Vorpommern.
Der beste Blick
Wie schon erwähnt: Am Holstentor ist immer viel los. Daher gebe ich euch nun einen wirklichen Insidertipp. Nicht direkt am Holstentor bekommt man das Bauwerk am besten eingefangen, sondern vom Turm der Petrikirche aus, die nur einige 100 Meter entfernt steht. Von dort aus kann man nicht nur großartig das Holstentor einfangen, sondern kann auch die restliche Altstadt in vollen Zügen von oben aus genießen. Und es gibt sogar einen Aufzug für alle, die nicht so gut zu Fuß sind.
Auf dem Wasser sportlich unterwegs
Natürlich, man kann einfach eine kleine Fahrt auf dem Boot machen, wenn man in Lübeck ist. Aber deutlich schöner ist bei gutem Wetter, die Stadt vom Wasser aus mit dem Kanu zu erkunden. Mutige können sogar mancherorts sich die Ausrüstung zum Stand Up Paddling leihen. Mit am Fuß verletzten Ehemann haben wir dann doch lieber das Kanu gewählt.
Für den kleinen Zuckerschock
Nun ja, sagt man Lübeck, kommt man an dem Namen Niedererer nicht vorbei. Mein persönlicher Favorit nach vielen Besuchen in Lübeck ist allerdings das Marzipanland. Nicht nur Marzipan mit Schokoglasur und nackiges Marzipan findet man dort. Auch die leicht abgeflammte Königsberger Variante gibt es dort – der Favorit meiner Mutti!
Ein bisschen politische Bildung
Wer nach Dingen sucht, die gratis sind in Lübeck, findet gar nicht so viel. Ein Tipp ist aber definitiv das Willy-Brandt-Haus mit einer interaktiven Ausstellung. Anders als im Museum Holstentor, das ein wenig eingestaubt wirkt, wird hier mit vielen modernen Multimediaelementen gearbeitet. Das macht die Ausstellung für Jung und Alt attraktiv.
Zauberhafte Hinterhöfe
Falls ihr euch fragt, warum in Lübeck so viel zauberhafte Architektur in der Altstadt zu finden ist: Das mittelalterliche Lübeck hatte ein Problem, dass wir auch heute zu gut kennen – der Wohnraum wurde auf der Altstadt-Insel knapp. So wurden nach und nach alle Hinterhöfe verbaut. Und so, wie heute Sozialwohnungen Luxuseigentumswohnungen weichen, so wichen damals die Holzhütten nach und nach Steinbauten. Diesem Wandel auf dem damaligen Wohnungsmarkt haben wie also die zauberhafte Architektur mit vielen pittoreske Szenerien zu verdanken. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Gänge und Hinterhöfe genauer zu erkunden.
Bummeln auf der Hüxstraße
Natürlich gehört zu einem Tagesausflug oder einem Städtetrip ein wenig Shopping dazu. Ich bin kein großer Fan von unglaublich großen Einkaufszentren und mein wahr gewordener Albtraum ist beispielsweise der Weserpark in Bremen Mahndorf. Viel lieber mag ich es klein und übersichtlich zum Shoppen wie in Oldenburg oder eben hier in Lübeck. Das Shoppinggeschehen spielt sich hauptsächlich in Lübeck in der Hüxstraße und in der Fleischhauerstraße ab, die dazu parallel verlauft. Besonders angetan haben mir die kleinen Boutiquen mit Marken, die man nicht in jedem Kaufhaus findet oder neben Läden mit skandinavischen Interiorschätzchen die Antiquariate. Wer nichts von den Gebrüdern Mann kauft, kann hier auch gute Schnäppchen machen.
Eis mit Seele
In Lübeck muss man nicht nur Marzipan schlemmen – es geht im Sommer auch mit Eis. Und mindestens 10 Personen haben mir bei der Recherche vorab geraten: Geh zu Soulmade, dort gibt es das beste Eis! Das Eis dort ist natürlich hausgemacht. Wie sollte es anders sein? Und auch die Sorten findet man nicht überall – mich hat persönlich das Sorbet Zitrone-Basilikum überzeugt. Auch das eher untypische Äußere der Eisdiele kann sich sehen lassen. Von außen wirkt es wenig wie Gelato und hat eher etwas von einem Pub oder Tribeca Icecream in Berlin. Allerdings sollte man nicht zu spät am Nachmittag oder Abend Schlacht nach Eis bekommen, denn manche Sorten sind am Wochenende schnell ausverkauft. Auch andere Kreationen gibt es dort, die man nicht allerorts findet. Aber an Zitrone-Basilikum kommt einfach keine heran. Daher kann ich sie euch wärmstens empfehlen an heißen Tagen in Lübeck.
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