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Was ist eigentlich mit Kunst und Kultur, wenn es in Zeiten von Social Media nur noch darum geht, wer den hübschesten Feed hat? Und was hat die WONDR Experience in Amsterdam damit zu tun?
Social Media verändert unser Leben. Unser Frühstück wird plötzlich angerichtet wie nach Foodstylingregeln in einem Sternerastaurant. Unsere Wohnung dient auch als Fotostudio. Wir reisen nicht zu einem Ort wegen Museen oder Strand, sondern, weil es dort viele instagramable Places es gibt und Menschen reisen zu Instagram Cafés oder Museen durch halb Europa. Okay, zugegeben, ich bin als Reisebloggerin Teil dieser Welt. Ich habe momentan so 500 Orte weltweit markiert, die gut und schön für Fotos sind. Vom Porschepavillon in der Wolfsburger Autostadt bishin zu süßen Kawaii Cafés in Mexiko Stadt oder bunten Felsen vor den Pforten von Las Vegas.
Aber Kunst, Kultur, wo bleibt das? Wer guckt sich noch die alten Meister an, weil man das mal gesehen haben muss? Ich habe viele Freunde, die in dem Bereich Kunst und Kultur gearbeitet haben oder arbeiten. Und viele sprechen die oben gestellte Frage immer wieder an und verurteilen teils die neuen Medien und verteufeln sie. Ich finde, das muss nicht sein. Denn Kunst kann durchaus neue Wege gehen. Wie, zeigt das WONDR Experience Museum im Norden von Amsterdam.
Vorab eine kleine Spoilerwarnung
Wer nun dieses Museum noch besuchen will, der kann sich gerne meinen Blogpost zu Amsterdam bei schlechten Wetter oder zu Instagram Museen durchlesen. Beide Blogposts zeigen nicht im Detail, wie alle Räume aussehen. Hier in diesem Blogpost werde ich schon mehr zeigen und darauf eingehen, warum dieses Museum so sehenswert ist und neue Wege mit der Kunst geht ohne dabei einfach nur Kulisse für Fotos zu sein.
Place to be für Instagrammer? Jein!
Wie habe ich dieses Museum gefunden? Natürlich via Instagram. Aber ist es deshalb auch so ein Mekka für Instagramuser? Meiner persönlichen Meinung nach ist dieses Konzept in Amsterdam schon ein wenig anders als man das von den aktuell vorhandenen Museen in Deutschland kennt. Das beginnt schon im Eingangsbereich. Sowohl das Cali Dreams in Düsseldorf als auch das Super Candy Museum in Köln-Ehrenfeld haben beide im Eingangsbereich Umkleiden und Gelegenheit, sich zu schminken und zu stylen. In Amsterdam hingegen erwarten einem Schließfächer, alles außer Handy und/oder Kamera bleibt draußen. Selbst unsere Kameratasche durfte nicht mit.Ob man also in mehr als einem Outfit schotten kann, ist schwierig, denn der Rundgang ist nicht dafür vorgesehen, dass man wieder zurückläuft. Zudem bietet das Museum und seine Schließfächer auch gar keine Platz für Koffer.
Durchs Kaninchenloch
Der Rundgang beginnt mit einem Regenbogen aus Neonfarben. Nachdem man in einem Vorraum sich registriert hat, gibt es mehrere Orte in dem Museum, wo man kleine Gifs von sich erstellen kann. Und man muss zugeben: Mein Mann und ich fallen schon auf damit, dass wir doch recht akribisch sind bei Foto- und Videoaufnahmen und eben nicht nur mal eben ein schickes Selfie oder ein Boomerang machen.
Nach der nächsten rechts ist plötzlich alles rosa und von der Decke hängen unzählige Telefone, an den Wänden altmodische Fernsprecher. Was will der Künstler uns damit sagen? Das ist mehr als nur eine schöne Kulisse, man könnte damit die ständige Erreichbarkeit symbolisieren oder das Problem, dass man immer 8 Minuten lange Sprachnachrichten hin und her schickt oder eben, dass man nicht mehr telefoniert? An den Fernsprechern kann man die Sprache einstellen und erhält noch mal alle Instruktionen. An einer Wand wird es doch etwas touristisch. Grüße aus Amsterdam steht da auf Englisch. Wir biegen um die Ecke und hier finden sich einfache Fotowände. Doch ein bisschen wie im Cali Dreams oder Supercandy Museum, denke ich ernüchtert. Aber dann …
Der Himmel voller lila Wolken
Im nächsten Raum eine neue Welt, eine voller Menschen und ihren Selfiesticks oder Handys, alle fleißig am Knipsen in unserem Fall. Eine professionelle Fotografin fotografiert eine blonde junge Frau in weißen Anzug mit weißen Lippen. Ab und zu kauern sie sich in die Ecke, um zu schauen, wie die Bilder geworden sind. Also auch die Fotografen unter euch werden sich wahrscheinlich den normalen Öffnungszeiten unterwerfen müssen.
Ganz nüchtern betrachtet könnte man sagen, dass es sich hier um einen Raum handelt aus ziemlich alltäglichen Dingen. An den Wänden sind Kissen, Da oben ist Stopfwatte oder so und es hängen Fransenvorhänge von der Decke, die mich wahrscheinlich immer an die To Act Kollektion von den vergangenen Diversity Fashion Days in Hamburg erinnern werden. Und dazu eben Farbwechsellichter. Ja, könnte man daheim nachmachen. Aber trotzdem fühlt es sich an wie in einer anderen Welt, als würde man träumen. Es ist ja nicht nur eine aufgemalte Kulisse. Geht man durch die einzelnen Vorhänge, kitzeln einem die Fäden die Haut. Die Kissen sind so weich, dass man fast in Versuchung kommt, im Stehen einzuschlafen.
Zwischen Vincent und der Zauberkugel
Der nächste Raum nach dem Himmel ist ein Raum, der wirkt, als sei man in einem Gemälde von Can Gogh gelandet. Ähnlich wie beim Cali Museum funktioniert das Klavier und ich versuche meinem Mann auch erneut und zum wahrscheinlich 10. Mal den Flohwalzer beizubringen, aber er zeigt sich weiter eher lernresistent. Aber zumindest die Fotos sind schön. Schade, dass mein Mann es nicht so mit den musischen Künsten hat, er hätte tolle Hände zum Klavierspielen, ich hatte mit meinen Stummeln im zarten Alter von 10 Jahren immer Schwierigkeiten.
Und dann ging in die Zauberkugel. Ich meine, so, wie ich mir die Zauberkugel aus der Mini Playback Show von innen vorstelle. Alles voller Spiegel und dieses mystische rote Licht … irgendwie sehr atmosphärisch. Hier ist auch so eine Ecke, da muss man mit den Fotos schnell sein oder ein bisschen warten, wenn man seine Ruhe will.
Keine Mini Playback Show
Der nun folgende Raum sprengt alles, wirklich alles. Denn er ist so vielfältig. Es fängt an mit den Ventilatoren. Eine Wand ist voller Ventilatoren in verschiedenen Rosatönen und zarten Violet. Und diese funktionieren und laufen. Gegenüber ein kleines Podest mit einer Zwischenwand, behangen mit Holo Lametta Vorhang und einem Mikrofon. Da ist eine der Boxen, wo man sich ein eigenes GIF erstellen kann. Dann sind da noch Boxen im Raum, beklebt mit rosa Kunstfell. Flauschige Räume im Raum. Auf der anderen Seite des doch recht großen Raumes Bluetooth Kopfhörer, auf denen man Musik hören kann, je nach Farbe ein anderer Geschmack. Bei dem einen singt 90s Brittney, beim nächsten dröhnt einen House entgegen. Über uns: Discokugeln, viele davon. Und am Ende des Raumes: Ein Einkaufskorb mit Discokugeln bepackt als Fotomotiv.
Diese Erfahrungen allesamt für Instagram einfangen? Unmöglich. Denn das, was ich euch gerade beschreibe, ist nur ein Bruchstück von dem, was ich in Erinnerung an diesem Ort behalten habe. Und davon zu lesen und das selbst zu erleben, das sind natürlich auch zwei ganz verschiedene Dinge. Inzwischen hat mein Man auch das Geheimnis der rosa Flauschräume gelüftet. Es sind nicht ganz so schalldichte Karaokeboxen. Wir schmettern “Let it Go” in einer Version, die wir nicht kennen, aber wir blamieren uns natürlich nicht, denn wir sind in dem verspiegelten Raum ja unter uns.
Auf in den Dschungel
Wow, das war jetzt schon ein ganz schöner Trip. Anders als in einem Instagrammuseum, wo man eigentlich nur von Ort zu Ort hetzt und schnell versucht, alle Outfits an gewünschter Location geshootet zu bekommen, ist dieses Museum, wo du zwar Bilder auf Instagram hast, von denen du dich beeinflussen lassen kannst. Aber du weißt halt nicht, wann was wie auf dich zukommt. Und so stehe ich mitten in einem Dschungel.
Ich muss tatsächlich gestehen, dass dieser Raum nicht so sehr nach meinem Geschmack war, denn es gab so viele Kleinigkeiten wie den Spielautomaten und den Greifarmautomaten, bei dem ich übrigens grandios verkackt habe. Auf der einen Seite ist eine Schaukel und mein Mann lässt es sich natürlich wieder nicht nehmen, ein GIF zu machen. Und dann kommt er: Der Flamingo Thron. Irgendwie wirkt er ein bisschen kleiner und weniger majestätisch als auf Instagram, aber er sieht doch recht dekorativ aus.
Zwischen Marshmellow und Konfetti
Ich glaube, der schönste Raum für Kinder ist der Konfetti Raum. Und gleichzeitig auch der, den ihr, liebe Leser, für eure Sprösslinge am ehesten nachbauen könnt. Natürlich will ich euch nicht davon halten einen Marshmellow Pool zu bauen, aber so eine Menge an künstlichen Marshmellows, sogar mit authentischen Duft, kosten halt ihr Geld und war natürlich auch einer der beliebtesten Orte dieses Museums. In der Wand eingelassen konnte man Schuhe und Handy oder Kamera liegen lassen, genug Personal gibt es auch vor Ort, die nach dem Rechten sehen und dich ab und zu hinweisen, was nicht geht.
Eines muss ich gestehen: Die Vorzeichen für das, was nach der Marshmellow Badelandschaft kam, sah man bereits im ganzen Museum hier und da ein wenig verteilt. Aber es ist so eine Kleinigkeit, die Freude bereitet: Bunte Wände und Konfetti. Dass oben Duschköpfe waren und man ein bisschen in Konfetti duschen konnte, war dabei nebensächlich.
Eine kleine Enttäuschung im Café
So schön das Café auch ist und so zauberhaft die süßen Leckereien aussehen – etwas Veganes ist leider nicht dabei. Ich weiß natürlich nicht, wie das mit dem Anteil veganer Menschen in den Niederlanden aussieht. Aber im Grunde genommen wäre es schön, wenn es zumindest bei den Snacks eine kleine Alternative für Veganer und Allergiker geben würde, etwas Einfaches wie Brownies oder Bananenbrot.
Was uns auch aufgefallen ist, ist, dass es nirgendwo eine Information darüber gab, ob man das Café auch vorab betreten kann oder als Externer ohne Ticket. das Wetter war schrecklich, als wir da waren. Daher kann ich sagen: Nein, das Café befindet sich am Ende vom Rundgang und kann daher nicht von jemanden ohne Ticket oder vorab betreten werden.
Würden wir dieses Museum empfehlen?
Absolut. Dieses Museum lässt sich im Grunde genommen gar nicht so sehr mit Instagram Museen vergleichen. Denn Instagrammuseen sind natürlich perfekt ausgeleuchtet und bieten tolle Kulissen, sind aber damit auch auf der anderen Seite etwas steril und zweckmäßig. WONDR Experience ist da tiefer. Die Orte sind nicht nur Kulisse, sondern Welten, die für sich stehen.
Vergleichbar wäre also dieses Museum eher mit dem Miniatur Wunderland in Hamburg. Nur, dass man eben diese detailreichen Welten beobachtet. Sondern Teil davon ist. Diese Aktivität ist wahrscheinlich nur etwas für Solo Traveler, wenn man sich durch Social Media zu einer Gruppe zusammen findet. Denn in der Gruppe oder mit der Familie macht diese Museum am meisten Spaß.